Die ältesten Menschen der Welt

Manchmal verpasst man einen „Moment“. In diesem Fall war es zu befürchten. Als ich im letzten Jahr den nachfolgend dokumentierten Artikel (als einen meiner ersten Testbeiträge) schrieb, da war der älteste lebende Mann der Welt – ein Überlebender von Auschwitz.

Israel Kristal, im polnischen Zarnow am 15.September 1903 geboren, erwartete seinen 113.Geburtstag. Er hat ihn erlebt und deutlich überlebt. In diesem Sommer, am 11.August 2017, ist er in Haifa gestorben. Nach dem Bericht in Haaretz ging die Nachricht kurz durch die Weltpresse. Channel4News bietet ein Video mit Interviewpassagen des Sohns Haim Kristal; da ist etwas mehr zu erfahren als nur von einem Ereignis fürs Guinness Buch der Weltrekorde.

Der Tod von Emma Moreno am 15.April 2017 fand deutlich weniger Aufmerksamkeit – obwohl sie als letzter Mensch starb, deren Geburt vor 1900 als gesichert galt. Das muss man wohl nehmen wie es ist. Es passt aber schon, dass ihre Würdigung noch zu ihren Lebzeiten geschah. Insofern gefällt mir auch, dass Emma und Israel in meinem Artikel vom letzten Jahr noch als Lebende gesehen sind. Für Nabi Tajima und Masazou Nonaka, die aktuellen Nachfolger als gesichert älteste lebende Menschen ihres Geschlechts, werde ich das bald nachholen.

 

Die ältesten Menschen der Welt (Artikel vom 8.9.2016)

Die Gerontology-Research Group listet mit Stand von vorgestern 45 sogenannte „Superhundertjährige“ auf. Das sind Menschen, die über 110 Jahre alt sind. 43 Frauen 2 Männer …

Homepage der Gerontology Research Group (Screenshot)
Homepage der Gerontology Research Group (Screenshot – Zum aktuellen Ranking im zweiten Textabschnitt auf „here“ klicken)

Emma Morana-Martinuzzi heißt die gegenwärtige Rekordhalterin. 116 Jahre und 292 Tage ist sie heute alt. Ich formuliere das mit Vorsicht und besten Wünschen. Die tagesgenaue Altersangabe wird in der Ranking-Liste automatisch aktualisiert. Aber es gibt natürlich keine Gewähr, dass die Datenlage noch jederzeit der Wirklichkeit entspricht.

116 ist im Jahr 2016 eine auffällige Zahl: Emma Morana-Martinuzzi ist tatsächlich eine von nur drei noch Lebenden, die von sich sagen können, noch im 19.Jahrhundert geboren zu sein. Und die einzige mit einer „18“ vorne in der Jahreszahl: geboren am 29.November 1899.

Es ist durchaus möglich, dass aktuell noch mehr Über 110-Jährige leben. Für eine große Zahl liegen Dokumente auch schon vor, gelten aber noch nicht als bestätigt (eine Grafik zum Verhältnis von „verified and pending supercentenarians“ ist im Menu „Charts and Graphics“ zu finden). Darüber hinaus sind viele Lebensdaten gar nicht verfügbar. Das schließt weite Bereiche der Welt aus der Statistik aus.

Als bestätigte Alltime-Rekordhalterin steht Jeanne Calmet an der Spitze, die am 21.2.1875 in Arles, Frankreich geboren wurde und dort am 4.8.1997 im Alter von 122 verstarb. „Internationale Bekanntheit erlangte sie im Alter von 113 Jahren, als sie davon berichtete, wie sie als 14-Jährige 1889 dem Maler Vincent van Gogh begegnet war.“ Erzählt ihr Wikipedia-Eintrag. Und dazu auch, dass sie ihn hässlich fand.

Unter den Männern gilt der Japaner Jiroemon Kamura als Rekordhalter: als erster und bislang einziger Mann, der das Alter von 116 erreichte. Der älteste noch lebende Mann ist seit Anfang des Jahres 2016 der polnisch-israelische ehemalige Konditor Israel Kristal. Sein Ernährungstipp sind Süßigkeiten und man darf annehmen, dass er wie letztes Jahr zum 112ten sich auch am bevorstehenden 113ten Geburtstag über eine Sahnetorte freuen wird.

Israel Kristal, der gegenwärtig älteste Mann der Welt: ist ein Überlebender von Auschwitz.

 

Tipps zum langen Leben: Eier, Nüsse, Scheidungen

Alle, die so alt sind, werden nach ihren Geheimnissen befragt. Ihre Antworten haben oft mehr den Charakter von liebenswerten Anekdoten und Schrullen. Die Medien-Berichte über sie heben gern auffällige Besonderheiten hervor. Julianne Meissner erinnert z.B. in einem Artikel der Berliner Zeitung vom 5.9.2016 daran, dass Emma Morana sich vor 78 Jahren von ihrem Ex-Mann getrennt habe – der sie geschlagen hat. Für die 1930er Jahre in Italien ein bemerkenswerter Schritt. Und als Tipp zur Langlebigkeit natürlich unbedingt überzeugend. Vor allem noch, wenn der Artikel „uralt und kerngesund“ betitelt ist.

Emma Nahrungsgewohnheit „widerspricht allen Richtlinien für eine korrekte Ernährung: Sie hat immer gegessen, was sie wollte, und ihr Speiseplan wiederholt sich ständig“, sagt ihr Arzt einem Welt-Artikel zufolge. „Jahrelang hat sie jeden Tag das Gleiche gegessen, nicht viel Obst oder Gemüse.“ Ernährungsforscher beirrt das nicht und verkaufen ihre Ernährungstipps gern mit dem Versprechen auf Langlebigkeit. Neben „Obst und Gemüse“ sind besonders „Nüsse“ eine beliebte Schlagwort-Empfehlung. (Worauf ich noch ausführlich zurückkommen möchte.)

Auch die Wohnorte interessieren. Japan und Italien sind als Angaben in der Liste der Superalten auffällig häufig vertreten. Das deckt sich mit Berichten über Orte der Langlebigen, die in den Medien „Tal der Hundertjährigen“, „Insel der Unsterblichkeit“ oder „Dörfer von Methusalems“ getauft werden.

„Okinawa ist eine der Hochburgen der Super-Alten. Eine Insel der Unsterblichkeit. Dort sind rund 740 von 1,3 Millionen Menschen über 100 Jahre alt, 90 Prozent davon sind Frauen. Auch im ecuadorianischen Dorf Valcabamba werden auffällig viele Menschen steinalt, trotz Drogen. Warum das so ist, niemand weiß es. Das Tal der 100-Jährigen nennt man den Ort in Südamerika. Auch in Campodimele, einem italienischen Dorf in den Aurunci-Bergen, scheint die Uhr anders zu ticken. Die Einwohner dort werden uralt. 30 Jahre länger sollen sie durchschnittlich leben als der Rest der Italiener. Dieser „Ort der Ewigkeit“ liegt zwischen Rom und Neapel.“ (Ingrid Müller: Super-Senioren. Die Hochburgen der 100-Jährigen. Artikel vom 17.12.2012 in NetDoktor)

Also ein paar Nüsse eingepackt und auf ins Tal der Hundertjährigen? Nicht unbedingt. Immerhin ist nicht auszuschließen, dass man sich dort tödlich langweilt.

Einem alten Witz zufolge hat ein Patient den ärztlichen Rat erhalten, auf gutes Essen, Wein, Zigaretten etc zu verzichten, wenn er 100 werden will – und der Patient beschloss, es nicht zu wollen. Die Weltgesundheitsorganisation zählt neben körperlichem und psychischem sinnvollerweise auch das soziale Wohlempfinden zu ihrem Gesundheitsbegriff hinzu. Körperlich kerngesund und völlig vereinsamt zu sein – das klingt eher traurig als vielversprechend. Nüsse alleine bringen’s nicht.

Richard Coler, ein Arzt, der Vilcabamba, „das rätselhafte Tal der hochagilen Greise“ in Ecuador erforschte, hebt in einem Interview hervor, dass neben die Frage „wie alt“ man wird auch die andere gehört: wie man im Alter lebt.

„Mehr Zeit zu haben wäre für mich im Moment das Großartigste. Ich verstehe schon, dass einen das auch ängstigen kann. Was mache ich mit der ganzen Zeit? Das ist schon eine große Frage, auch jetzt schon. Oft sind wir dabei nicht sehr originell, versuchen vor allem auch das: die Jungen zu imitieren oder dafür zu kämpfen, weiter jung zu erscheinen. Das hat nicht viel Sinn. Wenn wir alle sehr viel älter werden, wird sich das Konzept von Alter ändern – müssen.“

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Übrigens:

The 110 Club“ ist ein Forum, das Diskussionen und Fotogalerien zu den Supercentenarians  bietet.

Homepage "The 110th Club"
Homepage „The 110th Club“

Dort finden sich auch Bilder vom 112ten Geburtstag der „unvalidated Supercentenarian“ Edelgard Huber von Gersdorff, die derzeit älteste lebende Frau in Deutschland. (Die SZ würdigt sie mit einem Artikel vom 7.12.2017.) Allerdings gibt Deutschland gegenwärtig das seltene Beispiel, dass an der Spitze der Rangliste ein Mann steht: Gustav Gerneth ist 53 Tage älter. (Zum Geburtstag am 5. Oktober gratulierte ein Spiegel-Online-Artikel.)

Der Wikipedia-Artikel über die Ältesten Menschen der Welt bietet eine zusätzliche Liste der „Ältesten Deutschen“, die – Emigranten und Immigranten eingeschlossen (!) – auf 69 Namen kommt.  Neben den Rekordhaltern sind darin 15 weitere lebende Supercentenarians verzeichnet – allesamt Frauen.

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